Den optimalen Übergang zur Mikro-Fluidik finden - HSE AG

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Mikrofluidik ist der Schlüssel zu hohen Durchsatzraten und tiefen Verbrauchmaterialkosten. Die grösste Hürde besteht häufig am Übergang zwischen den zwangsläufig im Makromassstab dimensionierten Reagenzien-Zuleitungen und den feinen Strukturen in den Flusszellen und Cartridges. Das Finden der optimalen Lösung erfordert nicht nur viel Erfahrung in unterschiedlichsten Anwendungen, sondern auch ein tiefes Verständnis der Molekularbiologie und der Laborprozesse, wie der Head of Engineering Technologies von HSE, Hans-Jürgen Tiedtke, erklärt.

Herr Tiedtke, Sie entwickeln seit vielen Jahren Fluidiksysteme. Was ist die grösste Herausforderung bei heutigen Flusszellen im Mikroformat?

Die grösste Hürde stellt häufig nicht - wie man meinen könnte - die Konstruktion der kleinen Reaktionszellen dar. Die schwierigsten Probleme entstehen am Übergang zwischen den im grossen Massstab zur Verfügung gestellten Reagenzien und den extrem kleinvolumigen Reaktionszellen. Die Flüssigkeiten müssen im Extremfall aus einem Milliitergefäss entnommen und in Volumen von wenigen Mikrolitern überführt werden. Durch die Verengung der Durchmesser der Flüssigkeitskanäle steigt beispielsweise entweder der Druck stark an, oder die Flussrate wird massiv verlangsamt.

Was sind denn die wirtschaftlich wichtigsten Randbedingungen, welche die Lösungsfindung beeinflussen?

Die wichtigsten Faktoren für die Anwender von Automationslösungen sind die Zeit und der Reagenzien-Verbrauch. So kann auf der einen Seite das Spülen durch sehr kleine Kanäle viel Zeit in Anspruch nehmen und damit den Probendurchsatz des Gerätes senken. Auf der anderen Seite steht der Preis der Reagenzien, der teilweise sehr hoch ist. Häufig ist es deshalb zentral, die Zuleitungen möglichst kurz und die Spülvolumen möglichst klein zu halten.

Sie haben dafür sehr unterschiedliche Lösungen gefunden oder analysiert, von der Nutzung der Geometrie und von Kapillarkräften über Miniventile bis hin zu fein gebohrten und gefrästen Kunststoff-Manifolds (siehe Begleittexte). Welche Kriterien entscheiden, welche Lösung im Einzelfall die beste ist?

Der Ursprung ist immer die Anwendung. Je besser die Lösung auf die spezifische Anwendung zugeschnitten ist, umso effizienter wird die Automatisierung. Als Ingenieur müssen Sie dafür möglichst genau verstehen, was der Zweck der Flusszelle sowie des ganzen Geräts im Laborkontext ist. Dafür reicht es nicht, nur den Engineering-Part zu beherrschen. Es braucht auch ein tiefes Verständnis der Molekularbiologie, die in den Reaktionszellen abläuft, sowie der ganzen Laborprozesse.

Wie und wo haben Sie sich als ausgebildeter Elektrotechnik-Ingenieur diese Kennnisse angeeignet?

Ich habe bereits in meiner Diplomarbeit an einem hydrodynamischen Testsystem für künstliche Herzklappen gearbeitet, und seit ich 2011 zu QIAGEN und damit zum Ursprungs-Team der heutigen HSE gestossen bin, gehören fluidische Systeme quasi zu meinem Alltag. In der Zwischenzeit habe ich unzählige unterschiedliche Anwendungen entwickelt. Das Knowhow wächst mit jedem neuen Projekt. Das gilt speziell auch für das Verständnis der Molekularbiologie, die in den Geräten abläuft.

Kann sich jeder Ingenieur dieses Life-Sciences-Domänenwissen aneignen?

Mit der Zeit kann man sicher selbst viele biologischen und chemischen Kenntnisse erwerben. Bei HSE kommt aber noch eine Besonderheit dazu, die über das persönliche Erfahrungslernen hinausgeht. Wir sind nicht nur Ingenieure, sondern arbeiten in multidisziplinären Teams zusammen. So kann ich auch ganz direkt vom Wissen und vom Erfahrungsschatz meiner Biologie- und Biochemie-Kolleginnen und Kollegen profitieren - und sie umgekehrt von meinem Engineering-Knowhow.

Was für einen Einfluss hat den diese multidisziplinäre Zusammensetzung der Entwicklungsteams auf die Projektergebnisse?

Die Rechnung ist einfach: Je mehr Erfahrung aus unterschiedlichen Disziplinen und mit unterschiedlichen Systemen vorhanden sind, desto mehr konzeptionelle Möglichkeiten stehen bei der Lösungsfindung zur Verfügung. Und auch viele Fallstricke auf dem Weg zum produktiven Gerät sind dann schon bekannt. Unter dem Strich finden wir gemeinsam aber nicht nur effizientere Lösungen, welche die Marktbedürfnisse besser treffen. Dank unserer vielfältigen Erfahrung wissen wir auch, auf was es bei der Entwicklung ankommt, damit ein Gerät möglichst kostengünstig hergestellt und betrieben werden kann.

Ventil so nahe wie möglich an den Zellen-Anschlüssen

Eine Flusszelle, die zum Wirkstoff-Screening eingesetzt wird, muss für die Befüll- und Spülvorgänge mit insgesamt 16 fluidischen Anschlüssen verbunden werden. Die Zuleitungen bestehen aus herkömmlichen Schläuchen mit kleinen Durchmessern, welche die Reagenzien aus Vorratsgefässen mit Volumen von bis zu einem Liter entnehmen. Die Flusszelle wurde so konstruiert, dass die Anschlüsse während dem Analyse-Prozess permanent verbunden bleiben. Um die Reagenzien in der Flusszelle möglichst schnell auszutauschen musste ein Weg gefunden werden, die 16 Schläuche auf engstem Raum mit der Flusszelle zu verbinden. und möglichst nahe an der Zelle Ventile zu platzieren, welche die verschiedenen Reagenzien-Leitungen öffnen und schliessen. Dafür wurde ein spezieller Adapterkopf konstruiert, der sich präzise auf die Zelle setzen lässt und alle Schläuche integriert.

Geometrie für den Flüssigkeitstransport nutzen

Zur Bestimmung der DNA-Konzentrationen in einem Spektrometer wurde eine Flusszelle so konstruiert, dass sich die Flüssigkeiten mit Hilfe des Kapillareffekts von einem Einfülltrichter aus automatisch durch die Kanäle in die Messzelle bewegen. Sobald die Messzelle gefüllt ist, wird der Kanal breiter und der Kapillareffekt bricht ab. In diesem Moment ist dann auch der Trichter vollständig geleert, so dass nur noch am dünnen Kapillarquerschnitt eine minimale Verdampfung möglich ist. Mit dieser intelligenten Zellengeometrie gelang es nicht nur, die genaue Dosierung der Proben elegant zu lösen. Gleichzeitig konnte auch der Probenverbrauch minimiert werden.

Öl-Wasser-Oberflächeneffekte sorgen für tausend PCR-Reaktionen

Um automatisch eine möglichst grosse Zahl von wässrigen Tröpfchen zu erzeugen, in denen parallel PCR-Reaktionen ablaufen können, wurden Oberflächeneffekte zwischen Öl und Wasser genutzt. Die wässrige Lösung mit allen Reagenzien für die PRC-Raktion wird dabei mit Druck in den Hohlraum zwischen einem Ölfilm und einer Membran gepresst. Es entstehen rund tausend gleich grosse Tröpfchen, in denen danach parallel die PCR-Reaktion durchgeführt wird. Positive Resultate werden durch Fluoreszenzmarker sichtbar. Wird die Anfangskonzentration geschickt gewählt, lässt sich anhand der positiv aufleuchtenden Tröpfchen beispielsweise die genaue Virenkonzentration in einer Probe bestimmen.

Die Flusszelle zwischen Anschluss-Nestern bewegen

Eine Möglichkeit, um einen Reagenzienwechsel möglichst effizient zu gestalten, sind verschiedene Anschluss-Nester, zwischen denen die Mikroflusszelle hin- und herbewegt wird. Diese Methode wurde in einer Next-Generation-Sequencing-Gerät gewählt. Der grosse Vorteil: Es gehen praktisch keine teuren Reagenzien verloren. Der Nachteil: Es entsteht bei jedem Wechsel ein kleines Luftbläschen, das herausgespült werden muss.

Einzelne Zellen durch elektromagnetisches Klopfen

Die Schwerkraft und einen elektromagnetischen Klopfmechanismus nutzt ein Fluidik-System, mit dem sich einzelne Zellen separieren und in Mikrotiterplatten platzieren lassen. Der Kanal durch den die Zellsuspensionen eingefüllt werden verjüngt sich in einen engen, unten offenen Siliziumkanal. Durch ein elektromagnetisch ausgelöstes Klopfen auf eine Silizium-Membran lassen sich am Ausgang immer gleich grosse Tropfen erzeugen. Über eine Kamera können dann Tropfen, die eine, mehrere oder keine Zellen enthalten, automatisch unterschieden und entsprechend platziert werden.

Mit Ventil zur komplexen Sample-to-Result-Cartridge

Um vollständige Sample-to-Result-PCR-Reaktionen inklusive DNA- Aufreinigung und Konzentration in einer Cartridge durchführen zu können, sollte ein Ventil entwickelt werden, das einen gezielten Flüssigkeitswechsel möglich macht. Die Lösung bestand in einem kleinen Gummiteil, das sich durch einen gezielte Kraft über einen Miniaturstössel schliessen und öffnen lässt. Die zweite Herausforderung bestand in den grossen Probenvolumen, die für die Analyse aufkonzentriert werden mussten. Um sie direkt über einen Pipettier-Roboter einfüllen zu können, wurde ein Trichter so konstruiert, dass er sich mittels Druck durch die Pipettenspitze luftdicht verschliessen lässt. Die Probe kann so einfach eingespritzt werden.

Manyfold macht Wege und Spülzeiten kurz

Die Anzahl Bakterien in einer Flüssigkeit lässt sich über die Veränderung der elektrische Impedanz in einem Messkanal genau bestimmen. Dafür muss aber die Probenflüssigkeit durch einen nur 15 Mikrometer Messkanal gepresst werden. Selbst bei hohen Drücken erreicht man hier nur Flussraten von 30 ul/min. Um die Zeit für eine Reinigung des Systems für die nächste Messung klein zu halten müssen die Zuleitungen zur Flowcell unbedingt so kurz wie möglich gehalten werden und einen kleinen Innendurchmesser haben. Dank einem sogenannten Manifold konnten die in den Zuleitungen zusätzlich nötigen Flüssigkeitsmengen auf wenige Mikroliter beschränkt werden. Die selbst nur 500 Mikrometer dicken Kanäle wurden dafür in zwei Kunststoffplatten gefräst und gebohrt, die dann zum funktionsfähigen Maniold-Kanalsystem über eine Bonding Prozess verbunden wurden.

Hans-Jürgen Tiedtke

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