Der Engineering-Schlüssel zum wirtschaftlichen Syndromic-Testing-Erfolg

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Syndromic Testing gehört zu den grossen Wachstumsversprechen der kommenden Jahre. Damit ein Assay zum Markterfolg wird, braucht es aber nicht nur eine ausserordentliche wissenschaftliche Innovation. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss die Methode auch intelligent automatisiert werden. Die Ingenieure müssen dafür sowohl die Kostentreiber als auch die Labor-Abläufe genau kennen und verstehen.

Die Übernahme von GenMark durch Roche im Frühjahr hat das Scheinwerferlicht auf einen jungen Diagnostikmarkt mit einem enormen Wachstumspotenzial gerichtet: Das Syndromic Testing. Dabei wird das Vorhandensein von möglichst vielen Erregern, die für ein bestimmtes Krankheitsbild verantwortlich sein können, mit Multiplex-PCR-Methoden gleichzeitig überprüft. Das spart gegenüber den herkömmlichen, meist zellkulturbasierten Diagnoseverfahren massiv Zeit ein und hilft so entscheidend mit, möglichst schnell eine effektive Therapie einzuleiten.

Viele scheitern an der Wirtschaftlichkeit

Aus Ingenieursicht stellt das gleichzeitige Durchführen und Auswerten von vielen PCR-Tests eine ganze Reihe von anspruchsvollen Herausforderungen dar. Das System muss nämlich nicht nur den biologischen Anforderungen an den Testablauf gerecht werden sowie die physikalischen Manipulationen und die Messungen exakt und zuverlässig durchführen. Die Tests müssen sich unter dem Strich auch wirtschaftlich rechnen. Genau an dieser letzten Anforderung scheitern erfahrungsgemäss viele Anbieter. Sie können ihre biologisch-chemischen Innovationen nicht in ein markfähiges Produkt ummünzen.

Point of Need erhöht Anforderungen zusätzlich

Dies gilt insbesondere, wenn die Methode – wie beim Syndromic Testing - nicht nur in spezialisierten Labors, sondern als Point-of-Need-Anwendung funktionieren soll, die auch von medizinisch-technischem Assistenzpersonal ohne besondere Ausbildung direkt in den Klinken durchgeführt werden kann. Der ganze Test muss dafür inklusive möglichst aller Reagenzien in einer einzigen Cartridge zur Verfügung gestellt werden. Diese muss lagerfähig und die für die Durchführung notwendigen menschlichen Manipulationen müssen einfach und auf ein Minimum beschränkt sein. 

Kartuschen-Komplexität lässt den Preis ansteigen

Vor-befüllte Reaktionsbehälter bedingen eine strikte Trennung von trockenen und nassen Bereichen. Während die biologisch-chemischen Prozesse in einer geschlossen Kunststoff-Cartridge stattfinden, werden die physikalischen Manipulationen wie Heizen und Kühlen oder Kontrolle der Flüssigkeitsbewegungen sowie die Detektion von aussen über entsprechende Interfaces in der Cartridge durchgeführt.

An die Kartusche werden also äusserts vielfältige und komplexe Anforderungen gestellt. Sie muss in den PCR-Bereichen schnell heiz- und wieder abkühlbar sein und an anderen Stellen muss der Kunststoff für die Detektionsmethode durchlässig sein. Dazu sollte die Konstruktion auch möglichst effiziente Flüssigkeitsbewegungen ermöglichen. Es gilt, alle diese Ansprüche möglichst einfach unter einen Hut zu bringen, denn die Kartusche wird als Verbrauchsmaterial für die Anwender in der Regel zu einem der grössten Kostenfaktoren. Jede Verringerung der Komplexität verbessert entsprechend stark die Wirtschaftlichkeit. 

Ingenieure müssen die Laboranwendungen verstehen

Eine der wichtigsten Ursachen für einen späteren Misserfolg liegt in einem Vorgehensfehler, der häufig schon vor der eigentlichen Entwicklungsarbeit begangen wird: Es wird zu wenig Zeit und Energie darauf verwendet, den biologischen Prozess so weit wie möglich zu vereinfachen. Hier sind aber nicht nur die Spezialisten des Testherstellers mit ihrem Biologie- und Chemie-Knowhow gefordert. Mindestens so entscheidend sind die Ingenieure, die das technische System entwickeln. 

Je besser sie den Labor-Assay verstehen, umso gezielter können sie die Wissenschaftler hinterfragen. Je mehr Erfahrung sie in möglichst unterschiedlichen Automatisierungsprojekten haben, desto genauer kennen sie die neuralgischen Komponenten, die zu Fehlerquellen und zu Preissteigerungen führen können. Auf der Engineering-Seite muss darum neben dem technischen System-Knowhow immer auch fundiertes biologisches Fachwissen vorhanden sein. Nur so kann ein fruchtbarer Dialog zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren entstehen.

Kleine Anpassungen mit grosser Preiswirkung

Häufig stellt sich beispielsweise heraus, dass die von den Wissenschaftlern in ihren Anforderungen angegeben Temperatur- oder Volumengenauigkeiten für eine robuste Testdurchführung nicht notwendig sind. Sie haben aber Auswirkungen auf die Kosten von vielen System-Komponenten, angefangen bei den Materialien und der Konstruktionskomplexität der Kartusche über die Dimensionierung der Heizelemente bis hin zur Leistungsfähigkeit der Flüssigkeitsmanipulationen. 

Auf der anderen Seite kann aber beispielsweises die Anzahl der Beads für magnetische Manipulationen meist ohne grosse Bedenken erhöht werden. Sie haben nur einen minimalen Einfluss auf den Endpreis der Tests. Der Anspruch eines guten Geräteentwicklers ist weniger die wissenschaftliche Exzellenz, sondern – in Bezug auf das Gerät und vor allem auch in Bezug auf das Verbrauchsmaterial – das Optimum aus Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Kosten zu erreichen. 

Markt-Trend Syndromic Testing

Krankheitsmerkmale und klinische Befunde lassen sich häufig nicht eindeutig einem bestimmten Erreger zuordnen. Dies gilt insbesondere für Infektionen der Atemwege oder im Blutkreislauf und für Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder des zentralen Nervensystems. Bis vor kurzem waren aufwändige Zellkultur-Tests nötig, um aus den vielen möglichen Erregern den im Einzelfall verantwortlichen herauszufiltern. Das sogenannte Syndromic Testing vereinfacht und beschleunigt die Analytik massiv, in dem mit Hilfe von Multiplex-PCR-Verfahren viele Erreger gleichzeitig überprüft werden. Mit Syndrom-spezifischen Panels lassen sich aktuell jeweils bis zu 30 Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten und auch Antibiotika-Resistenzen erkennen. Das erste Panel für Atemwegs-Infektionen wurde vor 10 Jahren durch die Food and Drug Administration (FDA) bewilligt. Inzwischen sind bereits mehrere Anbieter mit unterschiedlichen Ansätzen und zahlreichen Syndrom-spezifischen Panels auf dem Markt. Es wird darum immer anspruchsvoller, sich in diesem stark wachsenden Analytikmarkt erfolgreich zu etablieren. 

 

Herr Tiedtke ist seit 25 Jahren in der Medizintechnik- und Diagnostikbranche tätig und Experte für die Entwicklung und Fertigung komplexer Systeme. Seitdem war er als Leiter der Forschung und Entwicklung sowie als Geschäftsführer für mehrere Medizintechnikunternehmen tätig. Als Leiter des Bereichs Engineering Technologies der HSE-AG ist Hans-Jürgen für die Systemtechnologien und den Anwendungskontext der Kundenprojekte verantwortlich. Er verbindet das Verständnis der Kundenbedürfnisse mit analytischen Fähigkeiten und Kreativität, um innovative Lösungen für komplexe Life-Science-Tools und Diagnoseplattformen zu entwickeln.

Hans-Jürgen Tiedtke

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